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Die Odyssee nach Fürth

  • Autorenbild: Jennifer Willert
    Jennifer Willert
  • 16. Jan.
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 31. Jan.


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Alles fing damit an, dass ich ein paar Weihnachtsgeschenke umtauschen wollte. Ein bisschen bummeln, durch die Gassen schlendern, einen Kaffee trinken. Nix besonders! Ich fragte meine Tochter und meinen Freund, ob sie mich begleiten wollten. An einem Samstag, späterer Vormittag machten wir uns auf den Weg. Um die stressige Parkplatzsuche zu vermeiden, wollten mit dem Zug nach Fürth fahren.

"Von Forchheim nach Fürth kein Problem!", dachte ich.


"Der Zug fährt um halb, Mama!", ruft mir meine Tochter genervt entgegen, während sie auf einem Bein stehend (das Andere steckt schon halb in einem Stiefel) versucht ihre Jacke vom Haken zu angeln.

"Was, schon um HALB?", entgegne ich ihr und in meiner Stimme liegt eine Spur von Hysterie.

Ich drücke mich an meinem Freund vorbei, der mit sichtlicher Verwirrung im Türrahmen steht, in den, durch eine Vielzahl an Schuhen, Jacken und anderem Krimskrams überfüllten, von Haus aus zu engen Gang und suche hektisch nach einem Paar passenden Schuhen. Dabei werfe ich meinem Freund einen ungeduldigen Blick zu.

"Auf geht's! Wir sind zu spät!"

Mit hochrotem Kopf, das Gemeckere von meiner Tochter im Ohr (immer bist DU zu spät dran) und dem Versuch während des Laufens nicht zu ersticken, erreichen wir kurze Zeit später den kleinen Bahnhof.

Der Zug fährt uns vor der Nase davon.

"Verdammte Sch....!", rufe ich, während ich versuche wieder zu Atem zu kommen. "Und was jetzt?"

Meine Tochter wirft mir noch einen bösen Blick zu und studiert dann den Fahrplan an dem Wartehäuschen.

Schuldbewusst laufe ich ihr hinterher, um ebenfalls einen Blick darauf zu werfen.

"Na super! Der nächste Zug, der hier hält, fährt erst in einer Stunde!", verärgert dreht sie sich zu mir um.

"In drei Minuten kommt ein anderer Zug, der fährt zwar in die Gegenrichtung, hält aber an der nächsten Station. Von dort aus können wir einen anderen Zug nach Fürth nehmen.", schlägt mein Freund vor.

"Irgendwie idiotisch!", denke ich. "Aber immerhin besser, als eine Stunde hier am Bahnhof zu warten!"

Schon fährt der Zug ein und wir haben keine Zeit mehr weiter darüber zu diskutieren. Kaum haben sich die Türen geschlossen, als uns auffällt, dass wir für diese Strecke keinen gültigen Fahrausweis haben. Das zuvor, gebuchte Ticket gilt nur für die andere Richtung. Hektisch schaue ich mich in dem überfüllten Zug um, während mein Freund eilig sein Handy aus der Tasche zieht und panisch beginnt darauf herumzudrücken.

Auf die Frage, was er da mache, bekomme ich die kurze Antwort.

"Mensch Jenni, wir fahren SCHWARZ. Ich versuche uns noch schnell zwei andere Tickets zu buchen."

Schlagartig wird mir klar, dass diese Aktion meinen, sonst sehr regelkonformen, Partner ziemlich aus der "Bahn" wirft und ein mildes Lächeln umspielt meine Lippen.

"Für mich eine Lappalie!", denke ich bei mir. "Da habe ich schon ganz andere Sachen gemacht!"

Allerdings erstarrt mein Grinsen ganz schnell, als ich einen Schaffner erblicke, der im Abteil vor uns mit der Fahrkarten-Kontrolle beginnt.

"Hat das mit den Fahrkarten geklappt?", frage ich meinen Freund, der immer noch hektisch auf seinem Display herumhackt.

"Kein Netz!", ruft er mir knapp entgegen.

Ich schaue meine Tochter an die, total gelassen an der Wand gelehnt, ihre Fingernägel betrachtet. Da wird mir plötzlich bewusst, dass sie sich ja auch keine Sorgen zu machen braucht. Sie hat einen gültigen Fahrausweis. Das 365 Euro-Ticket gilt für das ganze Jahr und beinhaltet sämtliche Fahrten im VGN-Bereich.

"Die eigentlichen Schwarzfahrer sind nur WIR!

Plötzlich steigt in mir Panik auf, gepaart mit einem schlechten Gewissen und der nackten Angst erwischt zu werden.

Blitzschnell sendet mein Gehirn an meinen Körper eine Gefahrenwarnung.

Aus einem Impuls heraus stürme ich los. Mein angeborener Flucht-Reflex gibt meinen Beinen die Kraft vorwärts zu gehen. Über meine Schulter hinweg rufe ich den Anderen leise zu: "Rückzug! Wir dürfen uns nicht erwischen lassen!"

Während ich an anderen Reisenden vorbeihechte bricht mir der kalte Schweiß aus. Meine Pupillen sind geweitet und mein Atem geht schneller; mein ganzer Körper ist in Alarmbereitschaft versetzt. Endlich erreiche ich das nächste Zugabteil und drehe mich nach den Anderen um. Aber da ist Niemand!

Durch die Glastür kann ich erkennen, dass meine Tochter und mein Freund immer noch an der gleichen Stelle stehen und mich fragend anschauen. Ich schaue zurück und fuchtele dabei wild mit den Armen. Nun hat selbst der letzte Mitreisende im Zug verstanden, dass sich hier etwas ganz Großes abspielt. Mit verwirrten Gesichtern setzen sich die Zwei in Bewegung und kommen auf mich zu.

"Sag mal Jenni...Geht's noch?", fragt mich mein Freund. Von dem verächtlichen Blick meiner Tochter möchte ich an dieser Stelle gar nicht sprechen.

In diesem Moment geschieht etwas, was ich im Nachhinein als "Mein Gehirn schaltete wieder in den Arbeitsmodus zurück" bezeichnen würde.

"Du hast vollkommen recht! Wir müssen uns stellen!", sage ich. Ich versuche dabei meiner Stimme so viel Klarheit und Bestimmtheit wie möglich zu geben. "Ich gehe jetzt direkt zum Schaffner!" Mit diesen Worten drehe ich mich auf dem Absatz um und laufe zielstrebig zurück.

Mein Freund schaut mir mit verdattertem Gesichtsausdruck hinterher.

"Völlig richtig, Jenni!", bekräftige ich mich derweil selbst. "Man muss für sein Handeln Verantwortung übernehmen"

Auf dem Rückweg bildete ich mir ein, anerkennende Blicke der Mitreisenden auf mir zu spüren. Das gibt mir den Mut weiterzugehen.

"Mit euch fahre ich nie wieder IRGEND-WO-HIN!", höre ich meine Tochter hinter meinem Rücken sagen.

"Was heißt den Euch?", entgegnet ihr mein Freund leise.

Ich erreiche den Schaffner, baue mich vor ihm auf und beginne ohne Umschweife meine Geschichte zu erzählen. Er hört mir zu, sein Gesichtsausdruck wechselt von mäßigem Interesse zu Erstaunen und dann in Belustigung.

Als ich geendet habe sagt er lachend: "Alles gut Mädel! Ich hab' gleich Feierabend und kontrolliere heute sowieso nicht mehr!" Erleichterung machte sich in mir breit.

Siegessicher drehe ich mich zu den Anderen um.

"Ich hab doch für uns Zwei mittlerweile eine Fahrkarte gekauft!", sagt da mein Freund zu mir.

Entgeistert schaue ich ihn an.

"Wenn du mal einen Moment stehen geblieben wärst, dann hätte ich dir das auch erzählen können!", stellte er schmunzelnd fest.

"Mit euch fahre ich nie wieder Zug!", ist darauf meine Antwort.

 
 
 

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