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Gefahr in Verzug

  • Autorenbild: Jennifer Willert
    Jennifer Willert
  • 19. Juni
  • 3 Min. Lesezeit
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„Auskuppeln... bremsen!“, schreie ich und drücke mit meinem rechten Fuß mit voller Kraft gegen das, mit Teppich ausgelegte Bodenblech meines Autos.

Als könnte ich irgendetwas damit bewegen oder gar verändern, denn ich sitze nicht auf der Fahrerseite. Nein! Ich bin heute nur Beifahrer. Stiller Zeuge einer unheilverkündenten Situation.

Okay, vielleicht nicht ganz still.

„Auskuppeln und bremsen!“, schreie ich meine Tochter erneut an, die mit vor Anspannung geröteten Wangen neben mir sitzt.

Endlich reagiert sie auf meine, in Dauerschleife gebrüllten Anweisungen und mein kleines rotes Auto kommt ruckartig zum Stehen.

Was folgt ist Erleichterung auf beiden Seiten darüber, dass sich das kleine Mäuerchen noch einen Meter vom Kofferraum meines Fahrzeug entfernt befindet.

„Interessant!“, stelle ich fest.

Meine Tochter schaut mich fragend an.

„Rückwärts kommst du wenigstens vorwärts... wenn da nicht die Problematik mit dem Bremsen wäre. Vorwärts geht es dafür eher sprunghaft voran, weil DU und die Kupplung bisher noch keine harmonische Beziehung zueinander aufbauen konntet. “

Wir müssen beide lachen. „Okay! Auf ein Neues!“, bestimme ich und versuche so viel Enthusiasmus und Zuversicht in meine Stimme zu legen, wie möglich.

Wir befinden uns heute auf einem Übungsplatz in der Nähe von Forchheim. Als treusorgende Mutter bin ich auf die Idee gekommen meiner 16-jährgen Tochter das Autofahren ein wenig näherzubringen.

„Soooo... und jetzt die Kupplung langsam kommen lassen... jaaa sehr gut... und jetzt etwas Gas... finde den Schleifpunkt...!“, erkläre ich und versuche ruhig zu bleiben, um meiner Tochter die nötige Sicherheit zu geben.

Das Auto macht einen Hüpfer nach vorne und der Motor geht aus.

„Der sch..... Schleifpunkt!“, ruft meine Tochter und lässt ihren Kopf auf das Lenkrad sinken. „Das schaffe ich nie!“

„Doch, das schaffst du schon!“, tröste ich sie. „Jeder fängt mal an!"

Sie versucht es erneut und wir bewegen uns hüpfend einige Meter nach vorne, bevor der Motor erneut den Geist aufgibt.

„Na das war doch schon ganz gut!“, stelle ich fest, während ich heimlich über den Sitz meines Autos streichele, um es zu trösten. „Mein armes Auto!“, denke ich und schenke meiner Tochter ein etwas gequältes Lächeln.

„Kupplung loslassen... jetzt lass' doch um Gottes Willen die Kupplung los... ja genau... und jetzt mehr Gas!“ Endlich setzt sich das Auto in Bewegung und wir fahren im Schneckentempo und im 1.Gang den Weg entlang.

„ICH FAHRE!“, ruft meine Tochter begeistert und strahlt über das ganze Gesicht.

Ich lotse sie in einen Kreisverkehr und wir fahren gefühlte 100x im Kreis, bevor ich ihr die nächste Aufgabe gebe.

„Jetzt gib ein bisschen mehr Gas und schalte mal in den 2. Gang!“, fordere ich sie auf.

„Das kann ich nicht!“, entgegnet sie mir mit panischem Gesichtsausdruck.

„Warum nicht?“, will ich irritiert von ihr wissen.

„Ich fahre doch im Kreis!“, antwortet sie mir.

„Ach so!“, sage ich und grinse, „Das ist natürlich ein Argument!"

Nach einer Weile wollen wir auf einer geraden Strecke das Anfahren üben.

Meine Tochter zögert.

„Was ist los?“ will ich von mir wissen.

„Ich lasse erst das entgegenkommende Auto vorbeifahren!“, erklärt sie mir.

Ich schaue mich nach allen Seiten um. „Was für ein Auto?“

„Na das da!“, meine Tochter zeigt in eine Richtung links von uns.

In der Ferne entdecke ich ein stecknadelkopfgroßes anderes Fahrzeug, was gerade in Begriff ist loszufahren.

Jetzt muss ich lachen. „Jawohl! Wir warten besser noch ab! Nicht das wir mit diesem Auto kollidieren!“.

„Du bist gemein!“, ruft meine Tochter empört, der mein ironischer Unterton nicht entgangen ist.

Danach üben wir das Lenken durch ein unebenes Waldstück, welches dem Übungsplatz direkt angrenzt. Nach einigen Fast-Unfällen mit Bäumen, einem Holzstapel und einem morschen Baumstamm ist unsere Übungsstunde vorbei. Mein T-Shirt klebt an meinem Körper, mein Nacken schmerzt vom ständigen Schulterhochziehen und mein Herz klopft immer noch wie ein Presslufthammer.

Ein Blick auf meine Tochter zeigt mir ein ganz ähnliches Bild. Wir tauschen die Plätze und erleichtert schnalle ich mich an.

In diesem Moment gilt meine ganze Anerkennung und Hochachtung allen Fahrlehrern dieser Welt. Ich macht einen verdammt gefährlichen Job!

„Hat doch gut geklappt!“, sage ich zu meiner Tochter als wir das Gelände verlassen.

 
 
 

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