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- Die Schattenwandlerin
Eine Kurzgeschichte in mehreren Teilen von Jennifer Willert Letzter Teil Hin- und hergerissen zwischen dem Gefühl endlich loslassen zu können und so dem Schmerz für immer zu entkommen und der zärtlichen Berührung an meinem Arm, lag ich ganz still auf dem Höhlenboden. Das helle Licht erwärmte meinen Körper und spendete meinem geschundenen Herz endlich Frieden. In einem gleichmäßigen Takt schlug es in meinem Brustkorb und ich spürte wie ich mich langsam beruhigte. Plötzlich hatte ich das Gefühl einige Zentimeter über dem steinernen Boden zu schweben. Alles fühlte sich leicht an. Wieder hörte ich die Stimme auf der anderen Seite, spürte wie jemand meine Hand hielt. Ein Film lief vor meinem geistigen Auge ab und ich sah mich wieder auf der Blumenwiese stehen, das weiße Kleid mit den blauen Kornblumen flatterte im Wind. Sehnsucht erfüllte mich und ließ mein Herz weit werden. Eine kleine Ewigkeit, dann war meine Entscheidung gefallen. Ich blinzelte in das helle Licht und versuchte meine Augen zu öffnen, die sich schwer anfühlten wie Blei. Als erstes nahm ich die lange schmale Neonröhre war, die sich über mir an der Decke befand. Vorsichtig drehte ich meinen Kopf auf dem weichen Kissen. Ich lag in einem kleinen Raum. Alles darin schien weiß zu sein. Die Vorhänge, das Bettgestell, die Wände und die Decke. Ich fuhr mit den Fingerspitzen über die weiße Bettwäsche, fühlte den rauhen Baumwollstoff. Verwundert betrachtete ich die vielen Schläuche und Kabel, die mich mit Maschinen und Monitoren verbanden. Ein kontinuierliches Piepsen erfüllte den Raum. Aus den Augenwinkeln nahm ich eine Bewegung war und drehte meinen Kopf auf die andere Seite. Vor dem Fenster stand ein Tisch und zwei Stühle, dort saß mit dem Rücken zu mir eine Person. Sie hatte sich über einen Notizblock gebeugt und schien irgendetwas aufzuschreiben. Eine Weile lang beobachtete ich die Frau, als sie sich plötzlich zu mir umdrehte. Für einen Moment sahen wir uns einfach nur an. Der Ausdruck ihrer weit aufgerissenen Augen, der erst Überraschung zeigte, wechselte plötzlich in unbändige Freude. Sie sprang von ihrem Stuhl auf und mit zwei großen Schritten war sie an meinem Bett. Sie ergriff meine Hand. Tränen der Erleichterung liefen ihr über ihre Wangen. „Ich wusste, dass du es schaffen würdest! Du bist eine Kämpferin!“, wiederholte sie immer wieder während sie mir unablässig über meinen Arm streichelte. Auch meine Augen füllten sich mit Tränen. Sie liefen mir über die Wange und tropften auf das Kopfkissen. Ich versuchte etwas zu sagen, aber meine Stimme wollte mir nicht gehorchen. Es fühlte sich an, als hätte ich sie seit Jahre nicht mehr benutzt und so kam nur ein Krächzen über meine Lippen. „Schschsch! Ruhe dich aus!“, flüsterte sie besorgt. „Wir finden noch genug Zeit zum Reden!“ Sie stand auf. „Ich komme gleich zurück! Ich hole nur eine Krankenschwester!“, sagte sie zu mir. Ich sah ihr nach, als sie den Raum verließ. Erschöpft legte ich meinen Kopf zurück auf das Kissen, schloss die Augen und versank in einen tiefen Schlaf. Ein Jahr später... „Das macht 28 Euro!“, sagte ich zu dem jungen, nervös wirkenden Mann und reichte ihm die, in Papier eingepackten Rosen. „Und viel Erfolg!“, fügte ich mit einem Augenzwinkern hinzu. „Dankeschön!“, antwortete mir der Mann und lächelte verlegen. „Ich hoffe, sie gefallen ihr!“ „Ganz bestimmt!“, antwortete ich ihm und sah ihm nach, als er den Blumenladen verließ. Ich hängte ein Schild mit der Aufschrift „Mittagspause“ an einen Haken, während ich die Tür abschloss. Danach ging ich in die kleine Teeküche in den hinteren Teil des Ladens. Ich setzte mich mit einem Stück Kuchen und einer Tasse Tee an den kleinen Tisch. Während ich den Teebeutel in die Tasse gab und beobachtete wie sich das heiße Wasser langsam dunkel färbte, glitten meine Gedanken in die Vergangenheit zurück. Vor sechs Monaten hatte ich meinen Blumenladen mitten in der Stadt eröffnet. Ein kleines Geschäft, mit einem Verkaufsraum, einer Mini-Teeküche und einem kleinen Lagerraum für die Blumen, Pflanzen und andere Gerätschaften. Es war seit meinem Krankenhausaufenthalt so viel passiert. Noch immer befand ich mich in Therapie und traf mich wöchentlich mit meinem Therapeuten zu einem Gespräch in der Praxis. Meine Schwester war an meiner Seite und unterstützte mich, wo sie nur konnte. Darüber war ich sehr dankbar. Ich hatte mich die letzten Monate zurück ins Leben gekämpft. Trotzdem spürte ich immer noch die schwarze Leere, die durch den Tod von meinem Mann und meinem Sohn in mir entstanden war. Ich wusste, dass sie immer ein Teil von mir bleiben würde. Aber mittlerweile hatte ich genug Leben, genug Licht gesammelt, um diesen Teil in mir aushalten zu können. Manchmal wachte ich in der Nacht schweißgebadet auf, das Kopfkissen nass von meinen Tränen. Ich wusste das es Zeit brauchte, Zeit die ich mir gerne geben wollte. Ich nahm einen Schluck warmen Tee und genoss das intensive Aroma und die Wärme, die sich in meinem Bauch ausbreitete. Ich schaute dabei aus dem Fenster. Es hatte vor kurzem noch geregnet. Jetzt schob sich die Sonne hinter den Wolken hervor und zeichnete ein filigranes Schattenmuster der Blätter eines Busches auf den Boden. Eine Amsel nahm ein ausgiebiges Bad in einer größeren Pfütze und das Wasser spritzte dabei nach allen Seiten. Ich musste lachen. Die Welt drehte sich weiter und ich war Teil davon...
- ... da ist momentan der Wurm drin...
... da ist mir doch gestern der komplette letzte Teil meiner Kurzgeschichte nach einem PC- Absturz abhanden gekommen... ärgerlich, aber nicht zu ändern. Leider habe ich am Wochenende keine Zeit zum Schreiben... Aber ich bleibe dran... versprochen 🤗
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Eine Kurzgeschichte in mehreren Teilen von Jennifer Willert Teil 4 … Kornblumen im Sommer, ein kleiner Laden an einer Straßenecke, eine leuchtende Markise und eine bunte Vielfalt an Blumentöpfen davor. Ich lag in der Badewanne, der dicke Babybauch als Halbkugel aus dem Wasser herausragend... Ich lächelte den Mann an, meinen Ehemann... Glückseligkeit. Ein blonder Haarschopf, halb unter der Bettdecke verborgen. Ein Herz, welches vor lauter Liebe überquoll... mein Herz. Dann ein heller Blitz. Ich sah mich selbst vor dem kleinen Bett stehend, es war unberührt...leer. Die Bettdecke lag unordentlich am Fußende, wie als hätte dort vor Kurzem noch jemand gelegen. Doch an diesem Ort schlief schon lange Zeit niemand mehr. Tiefe Traurigkeit lähmte mich, machte mich unbeweglich, die Zeit stand still. Ich hörte irgendjemand leise wimmern und öffnete irritiert meine Augen. Da merkte ich das ich weinte. Das Wimmern kam von mir selbst. Mein Brustkorb fühlte sich eng an und mein Herz wund. Als hätte jemand den START- Knopf gedrückt, lief nun ein Film in meinem Kopf ab. Ich sah in enormer Geschwindigkeit meine Vergangenheit an mir vorüberziehen. Eine regelrechte Bilderflut prasselte auf mich ein und ließ mich schwindelig werden. Grelle Blitze zuckten durch meinen Kopf. Ein Unfall, es war dunkel, die Straße glänzend schwarz im Licht der Scheinwerfer eines Autos. Mein ganzer Körper schmerzte, als ich in einem Bett im Krankenhaus erwachte. „Sie sind die einzige Überlebende! Es tut mir leid!“, hallte die Stimme des jungen Arztes in meinem Kopf wieder. Es dauerte lange bis seine Worte mich wirklich erreichten. Dann kam der Schmerz, er traf mich mit voller Wucht, warf mich zu Boden. „Ich kann das nicht aushalten!“, schrie ich und riss meine Augen auf. Das Echo meiner Worte hallte von den Wänden der Höhle zu mir zurück. Ich lag auf der Seite und krümmte mich wie ein Wurm zusammen. Mein ganzer Körper stand unter Spannung und ich drohte zu ersticken. Aber unbarmherzig liefen, wie bei einer Diashow die Bilder vor meinem geistigen Auge weiter. Aus dem unerträglichen Schmerz wurde langsam Dunkelheit, Gleichgültigkeit und dann Stillstand. Aber die Welt draußen drehte sich weiter, es wurde Tag, es wurde Nacht, ich lebte, denn mein Herz schlug weiter, ich aß ohne Hunger, ich trank ohne Durstgefühl, mein Lachen war künstlich, ich bewegte mich obwohl ich innerlich schon tot war. An einem grauen Novembermorgen stand ich auf dem Dach eines dreistöckigen Gebäudes, Wind war aufgekommen und blies mir lose Haarsträhnen, die sich aus meinem Zopf gelöst hatten ins Gesicht. Es war eisig und der Geruch von aufkommenden Schnee lag in der Luft, aber ich fühlte die Kälte nicht. Ich stand, nur mit einem dünnen und kurzen Nachthemd bekleidet, auf der Dachterrasse des Hauses und sah mit leerem Blick nach unten auf die Straße. Ich sprang... Weitere Blitze dann ein besorgtes Gesicht, welches sich über mich beugte. Der Mann sprach mit mir, versuchte mir etwas mitzuteilen. Die Worte drangen an mein Ohr, aber ich konnte die Bedeutung nicht erfassen. Ein harter Steinboden, der ganze Körper schmerzte... danach endlich Dunkelheit, die mich einhüllte. Ich öffnete meine Augen. Ganz still lag ich da und ließ die vergangenen Bilder auf mich wirken. Eine Palette an Gefühlen durchlief mich wie die vorangegangene Erinnerungsflut, die ich eben erlebt hatte. Es dauerte eine Weile bis die Bilder einen Sinn ergaben und ich begriff. Mühevoll richtete ich mich auf, meine Beine und Arme fühlten sich kalt und steif an. Unter Anstrengung kroch ich zur Felswand und lehnte meinen Oberkörper erleichtert dagegen. Ich hatte bei einem Unfall meinen Ehemann und meinen kleinen Sohn verloren. Meine ganze Familie war auf einen Schlag ausgelöscht. Danach hatte auch ich mich versucht umzubringen. Aber wo war ich jetzt? Benommen rieb ich mir mit beiden Händen über das Gesicht. Als ich die Hände sinken ließ merkte ich, dass es plötzlich heller wurde. Verwirrt drehte ich mich nach allen Seiten um. Als mein Blick zur Decke der Höhle fiel, sah ich mit großer Verwunderung, dass sich der Spalt in der Decke vergrößert hatte. Helles Licht fiel, in immer breiter werdenden Strahlen auf den Boden der Höhle. Als es mich berührte wurde mir warm und eine wohltuende Leichtigkeit umfing mich. Ich sehnte mich so sehr nach Frieden und danach, dass die schmerzende Wunde in meinem Herz endlich heilen durfte. Abgelenkt von dieser neuen und so wohltuenden Empfindungen spürte ich das Streicheln an meinem Unterarm nicht gleich. Als ich es wahrnahm hörte ich ein Flüstern. Ich verstand die Worte nicht, aber die sanfte Stimme zog mich magisch zu sich. Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich mich entscheiden musste.
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Eine Kurzgeschichte in mehreren Teilen von Jennifer Willert Teil 3 Schwaches Licht drang von irgendwoher in den dunklen Gang hinein und tauchte die feucht wirkenden Steinwände in ein glänzendes, dunkles Grau. Erstaunt hielt sie in ihrer Bewegung inne und sah sich aufmerksam um. Das gedämpfte Licht war eine Wohltat nach der Zeit der Dunkelheit. Einige Meter vor ihr wurde der Gang allmählich breiter und ging dann in einen größeren Hohlraum über. Sie blickte nach allen Seiten, um die Quelle für das hereinströmende Licht ausfindig zu machen und entdeckte gut fünfzehn Meter über sich eine kleine gezackte Öffnung in der Höhlendecke. Diese ließ gerade so viel Licht hinein, dass sich die schattenartige Umrisse der Umgebung abzeichneten. Sie war der vollständigen Dunkelheit entkommen und Tränen der Erleichterung traten in ihre Augen. Dann fiel ihr das zuvor wahrgenommene Wasserplätschern wieder ein und sie lauschte konzentriert in die Stille. Dem Geräusch folgend, trat sie auf die gegenüberliegende Seite der Höhle. Kurze Zeit später tastete sie feuchten Untergrund und fühlte, wie ihr Wasser über die Fingerkuppen lief. Freudig überrascht schrie sie auf. Da es ihr zu lange dauerte bis sich ihre, zu einer Kuhle geformten, Hände mit Wasser gefüllt hatten, presste sie ihre Wange an den kühlen Felsen und trank in gierigen Schlucken. Ein Gefühl tiefster Dankbarkeit und Erleichterung überkam sie, als das unangenehme Durstgefühl endlich nachließ. Als sie nichts mehr trinken konnte ließ sie sich erleichtert auf den Boden sinken. An die Felswand gelehnt, schloss sie für einen Moment die Augen. Helle Blitze zuckten durch ihren Kopf. Sie sah grell blinkende Lichter vor sich, überall um sie herum huschten dunkle Schatten an ihr vorbei... sie hörte leises Stimmengemurmel, dann näher kommendes Sirenengeheul. Ein besorgtes Gesicht beugte sich über sie. Der Mann sprach mit ihr, versuchte ihr etwas mitzuteilen. Die Worte drangen an ihr Ohr, aber sie konnte die Bedeutung nicht erfassen. Ein harter Steinboden, der ganze Körper schmerzte... dann endlich die erlösende Dunkelheit, die sie einhüllte. Erschrocken riss sie die Augen auf und schnappte keuchend nach Luft. Ihr Herz raste und kalter Schweiß hatte sich auf ihrem Körper gebildet. Unbewusst griff sie sich mit beiden Händen an den Kopf. War das eine Erinnerung oder spielte ihr das Unterbewusstsein einen Streich? Sie dachte an den Mann und den kleinen Jungen und wiederholte ihre Namen. Immer wieder bis sie spürte, dass sie ruhiger wurde. Danach stand sie auf und untersuchte die Höhle gründlich, dieses Mal gab es keinen weiteren Gang. Sie hob ihren Kopf und sah nach oben. Dort war der Ausgang, aber wie sollte sie die gut fünfzehn Meter ohne Kletterausrüstung nach oben klettern? Sie sah sich im dämmrigen Licht die Felswände genauer an. An manchen Stellen hätte man sich sicherlich nach oben ziehen können, aber die glatten Stellen dazwischen machten das Klettern ohne Haken und Seil unmöglich. Vielleicht würde irgendjemand ihre Hilferufe durch den Spalt in der Decke hören? Erschöpft brach sie einige Zeit später auf dem Boden zusammen. Ihr Hals schmerzte vom vielen Rufen und Schreien. Durst quälte sie, aber sie hatte nicht einmal mehr die Kraft aufzustehen, um Wasser zu trinken. Wie spät war es jetzt? War es später Vormittag oder schon Abend? Sie sah wieder zur Decke, der Lichteinfall schien unverändert zu bleiben. Erschöpft schloss sie die Augen und schlief ein. Mit einem getrösteten Gefühl im Herzen wachte sie wieder auf. Es war ihr, als hätte irgendjemand etwas sehr Schönes zu ihr gesagt. Sie konnte sich nicht mehr an die Worte erinnern, aber es war eine sehr vertraute Stimme gewesen. Sie berührte ihren Unterarm. Es fühlte sich an, als hätte jemand zuvor sanft darüber gestreichelt. Langsam stand sie auf und stillte ihren Durst, danach sah sie sich wieder in der Höhle um. Es gab offensichtlich keinen Ausweg! Aber irgendwie musste sie doch an diesen gottverlassenen Ort gekommen sein? Die Zeit verging... Sie saß da und starrte auf die Wand gegenüber. Wenn sie Durst hatte, dann stand sie auf und trank. Wenn sie müde war, dann rollte sie sich auf die Seite zusammen und schlief. Wie lange konnte man ohne Nahrung überleben? Waren es vier Wochen oder länger? Sie wusste es nicht genau. Manchmal erschien ihr der Mann oder der kleine Junge vor ihrem inneren Auge. Aber auch diese Bilder vermochten ihr keinen Trost mehr zu spenden. Sie würde hier unten sterben, elendig verenden und niemand würde es mitbekommen! Aber auch das war ihr inzwischen egal! Der Schlaf war eine Erlösung. Sie lag auf einer grünen Wiese, die Sonne wärmte ihren Körper, um sie herum summten die Insekten und ein leichter Wind streichelte ihre Haut. Es war so friedlich. Sie öffnete ihre Augen und drehte sich auf die Seite. Ein Stück weiter weg beugte sich eine junge Frau zu den bunten leuchtenden Blumen hinab, um sie zu pflücken. Sie war barfuß und trug ein weißes Kleid mit blauen Kornblumen darauf. Mit einem großen Strauß auf dem Arm drehte sie sich um und kam näher. Ihr stockte der Atem. Sie setzte sich ruckartig auf... Die junge Frau war sie selbst. Ich saß ganz still da. Aus Angst, dass jede noch so kleinste Bewegung mir diese Erinnerung wieder nehmen könnte. Ich atmete .. EINATMEN. .. AUSATMEN.. . so wie ich es vor gar nicht allzu langer Zeit von meinem Therapeuten gelernt hatte und konzentrierte mich auf die Bilder des Traumes. Die junge Frau war ich selbst! Ich erinnerte mich an diesen Sommer und daran wie ich mich dort auf der Wiese gefühlt hatte. Ich träumte davon mich selbstständig zu machen, von einem kleinen Blumenladen mitten in der Stadt. Aber ich hatte mir diesen Traum nicht erfüllt... Warum? Wieder drohte mir die Erinnerung zu entgleiten und ich konzentrierte mich erneut... EINATMEN... AUSATMEN... Ich wurde schwanger! Ich sah mich mit einem großen Babybauch eine Wand streichen. Ich war nicht alleine. Irgendjemand half mir bei den Malerarbeiten. Wir lachten. Es war der Mann... Der kleine Junge... es war mein Kind... mein Baby! Tränen liefen mir über meine Wangen., tropften von meinem Kinn auf den Boden. Ich erinnerte mich wieder!
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Eine Kurzgeschichte in mehreren Teilen von Jennifer Willert Teil 2 Ihre Augenlider flatterten und grelles Licht blendete sie. Irgendwo in der Ferne war Stimmengemurmel zu hören, gedämpft als läge sie unter einer Glaskuppel. Sie spürte eine sanfte Berührung an ihrer Hand, ein zärtliches Streicheln entlang ihres Unterarmes. Oder war das nur der Wind? Erneute Dunkelheit umfing sie, als sie die Augen öffnete. Es dauerte einen Moment bis sie begriff, wo sie war. Sie lag ganz still da und versuchte sich den Traum von eben ins Gedächtnis zurückzurufen. Aber auch dieses Mal gelang es ihr nicht die Bilder festzuhalten. Sie entglitten ihrem Bewusstsein wie der feine Sand in einer Sanduhr. Unbändige Wut überkam sie so plötzlich wie ein unerwarteter Sturm. Was war eigentlich los mit ihr? Wieso konnte sie sich an nichts mehr erinnern? Der aufsteigende Zorn über ihre ausweglose Situation gab ihr die Kraft. Mit einer ruckartigen Bewegung sprang sie auf. Das Schwächegefühl und der einsetzende Schwindel machten sie nur noch wütender. Sie lief wie eine Irre durch die Höhle. Sie schrie und rief bis sie heiser war, stolperte, fiel hin, schlug sich die Knie auf, kam wieder auf die Beine weiter um Hilfe schreiend. Irgendwann brach sie erschöpft und weinend auf dem kalten Steinboden zusammen. Wimmernd, sich zusammenrollend wie ein Embryo, lag sie da. Es war so entsetzlich still hier. Kein Laut drang zu ihr herein. Sie fing an zu summen- Irgendein vergessenes Kinderlied. In ihrer Erinnerung sah sie sich auf einer Bettkante sitzen, neben ihr lag eine kleine Gestalt, die Bettdecke bis zur Nasenspitze hochgezogen. Der Kopf mit dem verstrubbelten Haarschopf lag auf ihrem Schoß. Sie streichelte ihm sanft über die Wangen während sie eine Melodie summte. „Bleibst du immer bei mir?“, flüsterte die verschlafene Stimme des kleinen Jungen. „Für immer!“, antwortete sie leise. Der alte Schmerz kehrte zurück. Wie ein wildes Tier wütete es in ihrem Herzen. Sie schnappte nach Atem, setzte sich auf, umschloss mit beiden Unterarmen ihre Knie und wiegte sich hin und her. Sie konnte sich nicht einmal umbringen! Welch eine Ironie des Schicksals! Vielleicht könnte sie die Luft anhalten bis sie erstickte! Sie verwarf den Gedanken im gleichen Moment. Irgendwo hatte sie mal gelesen, dass das nicht funktionierte. Vorher würde sie sowieso verdursten! Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie trocken sich ihr Hals anfühlte. Sie hatte schrecklichen Durst! Wieder schwappte eine Welle des Schmerzes über sie und ihr Herzschlag beschleunigte sich. Um der inneren Qual wenigstens einen Moment zu entkommen, konzentrierte sie sich auf ihren Atem. Sie atmete langsam durch die Nase ein, spürte wie ihr Atem ihren Brustkorb weitete, wie sich ihr Bauch ein wenig hob, danach atmete sie wieder durch den Mund langsam aus. Nach ein paar Atemzügen verlangsamte sich ihr Herzschlag, sie kam zur Ruhe und ihre Gedanken klärten sich ein wenig. Sie besaß zwei Erinnerungen und sie atmete. Das war alles was sie hatte! Sie brachte sich in eine aufrechte Position und konzentrierte sich unter tiefen Atemzügen auf den Mann und den Jungen. Der Junge tauchte sofort wieder in ihrem Bewusstsein auf, klar konnte sie ihn vor sich erkennen. Bei dem Mann dauerte es etwas länger bis sie ihn deutlich vor sich sah. Plötzlich wusste sie, dass der Mann der Vater des Jungen war und sie hatte zwei Namen im Kopf. Unbändige Freude über diese neue Information überkam sie. Und sie hütete ihr neues Wissen wie ein Schatz in ihrem Herzen. Immer wieder sagte sie die zwei Namen. Mal laut und deutlich, dann wieder fast flüsternd. Es hatte etwas tröstliches und stärkte ihren Willen zu überleben. Einer Eingebung folgend stand sie auf und ging zu einer der Felswände zurück. Sie fing an jeden Zentimeter Stein abzutasten. Dabei stellte sie sich auf die Zehenspitzen, um auch die oberen Wände zu untersuchen, danach ging sie abermals auf die Knie und inspizierte den unteren Teil der Höhle. Als ihre Hand plötzlich ins Leere griff, war sie selbst so überrascht, dass ein spitzer Schrei über ihre Lippen kam. Sie untersuchte die Mulde im Felsen um festzustellen, dass es sich dabei um einen röhrenartigen Gang von ungefähr einem Meter Durchmesser handelte. Er war ihr beim ersten Rundgang nicht aufgefallen, da er sich direkt am Boden der Höhle befand und sie oberhalb des Ganges getastet hatte. Ihr Herz begann erneut zu klopfen. Was befand sich in diesem röhrenartigen Gang vor ihr? Ihr war klar, dass sie sich nur gebückt oder auf den Knien fortbewegen konnte. Bei dem Gedanken daran zog es ihr den Magen zusammen. Litt sie unter Klaustrophobie? Aber es half nichts! Hier wollte und konnte sie nicht bleiben. Hier gab es nichts, außer Dunkelheit, Hoffnungslosigkeit und Schmerz. Entschlossen kam sie auf ihre Knie und tastete sich langsam in den dunklen Gang hinein. Eine Weile kam sie gut voran. Danach wurde der Gang plötzlich enger und sie musste sich bäuchlings vorwärts bewegen. Der Weg war beschwerlich und ein paar Mal überlegte sie umzukehren. Aber irgendetwas in ihr trieb sie voran. Als der Gang noch enger wurde, hielt sie einen Moment in ihrer Bewegung inne und legte erschöpft ihren Kopf auf den kalten Steinboden ab. Sie brauchte einige Atemzüge, um die aufkommende Panik niederzukämpfen. Was passierte, wenn sie hier steckenblieb? Sie konnte nicht einschätzen, wie weit sie schon gekommen war. Waren es fünf Meter oder doch schon fünfzig Meter? Konnte sie überhaupt den ganzen Weg rückwärts robben? Bei diesem Gedanken ergriff sie eine weitere Panikattacke und keuchend ließ sie ihren Kopf auf den Boden sinken. Da war doch ein Geräusch? Angestrengt hörte sie in die Stille. Hatte sie sich es nur eingebildet oder war da ein leises Wasserplätschern. Sie drehte ihren Kopf in die Richtung, in der sie glaubte etwas gehört zu haben. Es war ihr, als tropfte irgendwo in der Nähe Wasser auf den Boden. Das bildete sie sich nicht ein! Mit neuer Hoffnung kämpfte sie sich voran. Fortsetzung folgt...
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Eine Kurzgeschichte in mehreren Teilen von Jennifer Willert Teil 1 Grelle Blitze zuckten durch ihren Kopf, als sie langsam von der Traumwelt in die Wirklichkeit zurückkehrte. Aber wo war sie? Ihr Körper fühlte sich an, als hätte sie einen zehnstündigen Marathonlauf hinter sich. Sie lag auf der Seite, ihre Arme und Beine schlaff und nutzlos wie bei einer Marionette neben ihr. Unfähig sich zu bewegen, spürte sie kalten und harten Boden unter sich. Irgendetwas Spitzes hatte sich schmerzhaft in ihre Rippen gebohrt. Ihr Kopf dröhnte und war zu keinem klaren Gedanken fähig. Angestrengt versuchte sie ihre Augen zu öffnen. Die Wimpern fühlten sich verklebt an und es kostete sie einige Kraft, um sie wenigstens einen spaltbreit zu öffnen. Mit tauben Fingern, die den Anschein erweckten, dass sie nicht ihre eigenen waren wischte sie sich mit unbeholfenen Bewegungen über das Gesicht. Völlige Dunkelheit umfing sie, die auch nach ein paarmal Blinzeln nicht verschwand. Mit aller Kraft zog sie sich in eine sitzende Position und ignorierte das aufkommende Schwindelgefühl und den stark ziehenden Schmerz, der ihr bei jeder Bewegung durch den Rücken zog. Ängstlich drehte sie ihren Kopf in alle Richtungen. Nichts als Dunkelheit. Sie hielt inne und lauschte angestrengt in die Finsternis. Nichts! Sie versuchte in den Bauch zu atmen, ein paar tiefe Atemzüge, die die aufsteigende Panik in ihr verhindern sollten. Irgendjemand hatte ihr vor Kurzem zu Atemübungen geraten. „Atmen sie durch die Nase ein und zählen sie langsam bis 7... sehr gut... und jetzt über die Lippenbremse wieder aus... zählen sie dabei bis 8... das machen sie prima... spüren sie den Atem nach...!“, hallte ein männliche Stimme in ihrem Kopf. Angestrengt versuchte sie sich zu erinnern, wer der Mann mit der tiefen und so beruhigenden Bassstimme war. Aber sie sah nur ein verschwommenes Gesicht vor sich. Als sie sich darauf zu konzentrieren versuchte, verschwand es wie ein flüchtiger Nebel und Schwärze tat sich stattdessen wieder auf. Ein modriger und abgestandener Geruch trat in ihre Nase, der eine Gänsehaut auf ihren Armen und Beinen bewirkte. „Wo war sie?“ Sie tastete mit ihren Fingern unbeholfen den Boden unter sich ab. Es bestand kein Zweifel, sie lag auf einem kühlen, unebenen Steinboden. „Hallo!“, rief sie in die Dunkelheit. „Hallo! Ist hier Jemand?“ Ihre Stimme hallte ganz leicht von den Wänden zu ihr zurück und sie begriff, dass sie sich in einer Art Höhle, Grotte oder Halle befinden musste. Angestrengt versuchte sie sich noch einmal zu erinnern, wie sie dorthin gelangt war. Aber die Vergangenheit schien wie ausgelöscht, ähnlich einer Computer-Festplatte, die formatiert wurde. Sie konnte sich weder an ihren Namen erinnern, noch wusste sie wie alt sie war. „Hatte sie Kinder, war sie verheiratet, ging sie einer geregelten Arbeit nach?“ Sie wusste es nicht mehr. Kurz kam ihr die Idee, dass sie durch ein Erdbeben oder eine Schneelawine verschüttet worden war und sie dabei ihr Gedächtnis verloren hatte. Aber ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass dies nicht stimmte. Aber konnte sie sich darauf verlassen? Unter Stöhnen kam sie auf ihre Knie und krabbelte, weil sie immer noch nicht die Kraft fand aufzustehen, auf allen Vieren vorwärts. Dabei tastete sie sich Meter für Meter nach vorne. Angst stieg in ihr auf. Angst vor dem Unbekannten. Furcht, dass irgendetwas, irgendjemand in einer Ecke lauerte, nur darauf wartend, sich auf sie zu stürzen. Nach einer gefühlten Ewigkeit spürten ihre Hände und die Finger eine senkrechte Felswand vor sich. Mit größter Kraftanstrengung zog sie sich an dem unebenen Stein nach oben. Ein starker Schwindel erfasste sie erneut und keuchend lehnte sie sich für einen Moment an den kühlen Felsen. Kalter Schweiß brach ihr aus allen Poren hervor und für einen Augenblick vermutete sie erneut das Bewusstsein zu verlieren. Sie fröstelte und erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie nichts trug, als ein kurzes Kleid mit schmalen Trägern. Der Stoff fühlte sich so dünn an, als könnte er schon beim kleinsten Windstoß reißen. Als sie sich wieder gefasst hatte beschloss sie den dunklen Ort, in dem sie erwacht war zu erkunden. Sie schritt, sich langsam vorwärts tastend, an der Wand entlang. Um den Anfang wiederzufinden, legte sie drei kleine Steine in Höhe ihrer Schulter auf einen Felsvorsprung ab. Sie versuchte sich zu konzentrieren und zählte die Schritte bis zum Ausgangspunkt. Als ihre zitternden Finger erneut die Wegmarkierung ertasteten, war sie bei knapp 200 Schritten angekommen. Die Höhle war nahezu rund, zumindest kam ihr das bei ihrer ersten Erkundung so vor. Erschöpft ließ sich sich zu Boden gleiten, stützte ihre Arme auf den angezogenen Beinen ab und vergrub den Kopf in ihren Händen. „Sie saß in der Falle! Sie wusste weder WER noch WO sie war! Sie war in einer großen Höhle gefangen, ein steinernes Grab, aus dem es kein Entkommen gab.“ Eine tiefe Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit überkam sie. Es stieg vom kalten Steinboden auf, fraß sich durch ihre Fußsohlen, kletterte an den Beinen entlang zu ihrem Oberkörper. Wie eine eiserne Faust umschloss es ihr Herz und drückte auf ihre Lungenflügel. Sie konnte nicht mehr atmen, drohte zu ersticken. Röchelnd und nach Luft schnappend lehnte sie ihren Oberkörper an die kühle Felswand. Wie ein Blitz zuckte eine Erkenntnis durch ihr Bewusstsein. Sie kannte dieses Gefühl, es erinnerte sie an irgendetwas. „Was war es?“ Ein Bild formte sich vor ihrem geistigen Auge. Sie sah einen Mann, Anfang 40... auf seinen Schultern saß ein kleiner Junge... BEIDE LÄCHELTEN. Für einen Bruchteil einer Sekunde verschwand der Schmerz, die Hoffnungslosigkeit und die Verzweiflung und sie spürte, wie sie zurücklächelte. Genauso schnell, wie sie erschienen war, löste sich die Vision vor ihr in Luft auf. „Nein!“, schrie sie und griff mit ihrer Hand vor sich ins Leere, als könnte sie das Bild, den Augenblick festhalten. Aber da war nur noch Finsternis. Der Schmerz kam mit doppelter Intensität zurück, durchbohrte ihr Herz und sie hatte das Gefühl, dass ihr gesamter Oberkörper in Flammen stand. Sie schrie auf, fiel auf die Seite und blieb, sich auf dem Boden windend, zitternd liegen. Als sie dachte, dass die Flammen alles zerstört hatten und sie jetzt sterben müsste, kamen endlich die Tränen. Sie weinte und es fühlte sich an, als hätte sie es eine Ewigkeit nicht mehr getan. Irgendetwas in ihr zerbrach und sie konnte den Tränen freien Lauf lassen. Sie löschten die Flammen in ihr und zurück blieb nur noch Asche. Fortsetzung folgt...
- Gefahr in Verzug
„Auskuppeln... bremsen!“, schreie ich und drücke mit meinem rechten Fuß mit voller Kraft gegen das, mit Teppich ausgelegte Bodenblech meines Autos. Als könnte ich irgendetwas damit bewegen oder gar verändern, denn ich sitze nicht auf der Fahrerseite. Nein! Ich bin heute nur Beifahrer. Stiller Zeuge einer unheilverkündenten Situation. Okay, vielleicht nicht ganz still. „Auskuppeln und bremsen!“, schreie ich meine Tochter erneut an, die mit vor Anspannung geröteten Wangen neben mir sitzt. Endlich reagiert sie auf meine, in Dauerschleife gebrüllten Anweisungen und mein kleines rotes Auto kommt ruckartig zum Stehen. Was folgt ist Erleichterung auf beiden Seiten darüber, dass sich das kleine Mäuerchen noch einen Meter vom Kofferraum meines Fahrzeug entfernt befindet. „Interessant!“, stelle ich fest. Meine Tochter schaut mich fragend an. „Rückwärts kommst du wenigstens vorwärts... wenn da nicht die Problematik mit dem Bremsen wäre. Vorwärts geht es dafür eher sprunghaft voran, weil DU und die Kupplung bisher noch keine harmonische Beziehung zueinander aufbauen konntet. “ Wir müssen beide lachen. „Okay! Auf ein Neues!“, bestimme ich und versuche so viel Enthusiasmus und Zuversicht in meine Stimme zu legen, wie möglich. Wir befinden uns heute auf einem Übungsplatz in der Nähe von Forchheim. Als treusorgende Mutter bin ich auf die Idee gekommen meiner 16-jährgen Tochter das Autofahren ein wenig näherzubringen. „Soooo... und jetzt die Kupplung langsam kommen lassen... jaaa sehr gut... und jetzt etwas Gas... finde den Schleifpunkt...!“, erkläre ich und versuche ruhig zu bleiben, um meiner Tochter die nötige Sicherheit zu geben. Das Auto macht einen Hüpfer nach vorne und der Motor geht aus. „Der sch..... Schleifpunkt!“, ruft meine Tochter und lässt ihren Kopf auf das Lenkrad sinken. „Das schaffe ich nie!“ „Doch, das schaffst du schon!“, tröste ich sie. „Jeder fängt mal an!" Sie versucht es erneut und wir bewegen uns hüpfend einige Meter nach vorne, bevor der Motor erneut den Geist aufgibt. „Na das war doch schon ganz gut!“, stelle ich fest, während ich heimlich über den Sitz meines Autos streichele, um es zu trösten. „Mein armes Auto!“, denke ich und schenke meiner Tochter ein etwas gequältes Lächeln. „Kupplung loslassen... jetzt lass' doch um Gottes Willen die Kupplung los... ja genau... und jetzt mehr Gas!“ Endlich setzt sich das Auto in Bewegung und wir fahren im Schneckentempo und im 1.Gang den Weg entlang. „ICH FAHRE!“, ruft meine Tochter begeistert und strahlt über das ganze Gesicht. Ich lotse sie in einen Kreisverkehr und wir fahren gefühlte 100x im Kreis, bevor ich ihr die nächste Aufgabe gebe. „Jetzt gib ein bisschen mehr Gas und schalte mal in den 2. Gang!“, fordere ich sie auf. „Das kann ich nicht!“, entgegnet sie mir mit panischem Gesichtsausdruck. „Warum nicht?“, will ich irritiert von ihr wissen. „Ich fahre doch im Kreis!“, antwortet sie mir. „Ach so!“, sage ich und grinse, „Das ist natürlich ein Argument!" Nach einer Weile wollen wir auf einer geraden Strecke das Anfahren üben. Meine Tochter zögert. „Was ist los?“ will ich von mir wissen. „Ich lasse erst das entgegenkommende Auto vorbeifahren!“, erklärt sie mir. Ich schaue mich nach allen Seiten um. „Was für ein Auto?“ „Na das da!“, meine Tochter zeigt in eine Richtung links von uns. In der Ferne entdecke ich ein stecknadelkopfgroßes anderes Fahrzeug, was gerade in Begriff ist loszufahren. Jetzt muss ich lachen. „Jawohl! Wir warten besser noch ab! Nicht das wir mit diesem Auto kollidieren!“. „Du bist gemein!“, ruft meine Tochter empört, der mein ironischer Unterton nicht entgangen ist. Danach üben wir das Lenken durch ein unebenes Waldstück, welches dem Übungsplatz direkt angrenzt. Nach einigen Fast-Unfällen mit Bäumen, einem Holzstapel und einem morschen Baumstamm ist unsere Übungsstunde vorbei. Mein T-Shirt klebt an meinem Körper, mein Nacken schmerzt vom ständigen Schulterhochziehen und mein Herz klopft immer noch wie ein Presslufthammer. Ein Blick auf meine Tochter zeigt mir ein ganz ähnliches Bild. Wir tauschen die Plätze und erleichtert schnalle ich mich an. In diesem Moment gilt meine ganze Anerkennung und Hochachtung allen Fahrlehrern dieser Welt. Ich macht einen verdammt gefährlichen Job! „Hat doch gut geklappt!“, sage ich zu meiner Tochter als wir das Gelände verlassen.
- Der Blog schläft...
Liebe Leserin, lieber Leser Der Blog befindet sich ab heute im tiefen FeiertagS-UrlaubS-Schlummer. Nachdem ich Prag einen Besuch abgestattet und mich im Bayerischen Wald ein bisschen entspannt habe, erwarten Euch ab dem 19.06.25 wieder neue Geschichten.. Ich wünsche ALLEN von HERZEN eine sonnige und stressfreie Zeit...
- The best of - Physiotherapie 2
Verrenkungen Wir sitzen uns auf einem Gymnastikhocker gegenüber. „Und jetzt machen WIR eine Dehnung für UNSEREN Nacken!“, sage ich und bringe meinen Oberkörper in eine aufrechte Position. „Ziehen sie dazu das Ohr zu ihrer rechten Schulter!“, erkläre ich weiter. Der Patient greift mit seiner Hand an sein linkes Ohr und zieht dieses zur rechten Seite. Liebe Leser*innen The best of Physiotherapie geht in die 2.Runde Wie auch schon im vorherigen Blog, sind die Namen der Patienten verändert, die Ereignisse liegen größtenteils schon viele Jahre zurück, haben sich aber genauso zugetragen :) Der Sexunfall „Genau hier tut es weh!“, jammert die Patientin und streicht dabei über die Innenseite ihres Beins. „Wie ist denn das passiert?“, frage ich während meine Hand vorsichtig den verkrampften Muskelstrang abtastet. „Es war ein Gartenunfall!“. erklärt mir die Patientin eifrig und setzt sich auf der Massagebank auf. „Ich habe im Hang Sträucher geschnitten, bin dabei mit dem tiefer stehenden Fuß weggerutscht und habe einen halben Spagat hingelegt. Sie müssen wissen, es hatte am Vortag geregnet und die Erde war noch feucht.“, klärt mich die Dame weiter auf. Mit dieser Erklärung über den Unfallhergang zufrieden, widme ich mich nun ihrem Bein. Ich hole dazu eine Flasche Massageöl vom Fensterbrett und beginne den Muskelstrang vorsichtig auszumassieren. Aber die Patientin scheint mit ihrer Geschichte noch nicht ganz glücklich zu sein. In einer ausschweifenden und umfangreichen Erklärung beginnt sie mir detailliert zu beschreiben, wie es zu der Adduktorenzerrung gekommen ist. Verwundert über ihren Rededrang höre ich ihr zu und arbeite dabei schweigend weiter. Danach wird es kurz still im Behandlungsraum. Gerade will ich sie fragen, ob sie denn einen großen Garten zuhause hat, als sie sich kerzengerade aufsetzt. „Also gut! Ich gebe es zu! Es war kein Gartenunfall!“ Überrascht schaue ich sie an. „Ich wollte es ja eigentlich nicht erzählen, aber es ist beim Sex mit meinem Mann passiert. Wir haben da so eine neue Stellung ausprobiert und dabei ist es meinem Mann ins Kreuz gefahren und mir ins Bein!“ Im ersten Moment bin ich sprachlos. Damit hatte ich jetzt wirklich nicht gerechnet. „Das sind eindeutig zu viel Informationen!“, denke ich bei mir. Aber die Dame ist jetzt nicht mehr zu stoppen. Sie erzählt mir in allen Einzelheiten, wie sich der Unfall ereignet hat. „Schon gut!“, sage ich endlich. „Das kann ja mal passieren!“ Nun kann ich mir ein Lächeln nicht mehr verkneifen. Von meiner Reaktion motiviert fragt die Patientin: „Soll ich ihnen mal zeigen, wie wir das gemacht haben?“ „Nein DANKE!“, antworte ich. „Das ist wirklich nicht nötig!“ Gruppenzwang Für die Seniorengymnastik am Dienstag Vormittag haben sich 8 ältere Damen in der Praxis eingefunden. Wir stehen uns in einem Halbkreis im kleinen Gymnastikraum gegenüber. Ich mache die Übungen vor und die Gruppe turnt nach. „Was ist denn das für ein großer Fleck am Boden?“, denke ich bei mir. „Ist das Wasser?“ Ich BEUGE mich nach vorne, um den mysteriösen Fleck besser in Augenschein zu nehmen. „Nein, doch nur eine Lichtspieglung!“, stelle ich fest und richte mich wieder auf. Die restliche Gruppe BEUGT SICH RHYTHMISCH zur Musik immer wieder mit verdrehtem Oberkörper nach unten. Gymnastik auf griechische Art „Ich mag diesen Patienten wirklich nicht mehr behandeln!“, jammert die hübsche, junge Kollegin in der Mittagspause. „Was ist denn los?“, frage ich sie neugierig. „Der zieht sich bei der Massage immer bis zur Unterhose aus. Dann legt er sich nur mit einem knappen TANGA begleitet auf die Massagebank und macht während der Massage immer so anzügliche Bemerkungen!“ „So ein Idiot!“, stelle ich mitfühlend fest. „Wer ist ein Idiot?“ fragen Costa und Cordalis, die gerade den Pausenraum betreten. Meine junge Kollegin berichtet unseren zwei griechischen Arbeitskollegen nun ebenfalls von dem unliebsamen Patienten. „Wann kommt der Patient wieder?“, will Costa wissen. In der darauffolgenden Woche wartet der Patient schon voller Vorfreude im knappen TANGA auf die junge, hübsche Therapeutin. Die Tür geht auf und das griechische Therapeuten-Duo betritt den Behandlungsraum. „Wo ist denn Janina?“, will der Patient enttäuscht wissen. „Die ist nicht da!“, erklärt Costa. „Wir übernehmen heute die Behandlung!“, ergänzt Cordalis. „Heute gibt es keine Massage!“, erklärt Costa und wirft dabei einen Blick auf das Rezept des Patienten. „Ein paar Übungen würden ihrem Rücken ganz gut tun!“, ergänzt Cordalis. Der Patient will sich anziehen. „Nicht nötig!“, erklärt Costa, "Das geht auch im TANGA!" „Wir fangen mit dem Vierfüßlerstand auf der Bank an...“, ergänzt Cordalis. »... und jetzt den Po weit nach hinten schieben...!" Zur Erklärung: Der Vierfüßlerstand ist eine Körperhaltung, die auf Händen und kniend ausgeführt wird... Neulich beim Gymnastikkurs „Wie war denn das Wetter letzte Woche auf Kreta!“, fragt eine Kursteilnehmerin eine andere. „Keine Ahnung!“, antwortet die sonnengebräunte Dame. "Wieso weißt du das nicht!", fragt die Erste verwundert. „Auf Mallorca war das Wetter spitze!“, antwortet die andere.
- The best of - Physiotherapie
Missverständnisse „Ich habe heute ein Zelt in der Unterhose!“, höre ich den Patienten zu meiner Kollegin in der Nachbarkabine sagen. „Das macht doch nix!“, antwortet meine Kollegin kichernd. Vor lauter Überraschung unterbreche ich meine Massage und lausche. Mein eigener Patient hebt den Kopf und schaut mich fragend an. Ich bedeute ihm mit einer Gestik still zu sein und lege mein Ohr an die Holztrennwand der Kabine. Lautes Atmen, ansonsten Totenstille. Mein Kopfkino arbeitet auf Hochtouren... Später in der Pause schaue ich meine Kollegin in der Teeküche über meine Tasse hinweg misstrauisch an. „Sag mal, was war denn das für ein widerlicher Typ, den du vorhin behandelt hast?“ Meine Kollegin schaut mich verwundert an: „Was für ein Typ?“ „Na der mit dem Zelt in der Unterhose!“, antworte ich ihr. „So ein Wüstling... und du sagst auch noch, dass es dir nichts ausmacht!“ Es dauert einen Moment bis sie mir folgen kann. Dann fängt sie lauthals an zu lachen. „Ach so! Du meinst Herr Müller! Ein netter älterer Herr, der heute eine viel zu große Unterhose anhatte. Er sagte: „Ich habe heute ein Zelt als Unterhose!“, stellt sie lachend klar. Liebe Leserin, lieber Leser Heute erzähle ich über ein paar sehr lustige, teil wirklich verrückte Begebenheiten aus den verschiedensten Praxen und Kliniken, in denen ich die letzten 20 Jahren als Physiotherapeutin gearbeitet habe. Die Namen der Patienten sind abgeändert, aber die Geschichten haben sich wirklich so zugetragen. Viel Spaß beim Lesen :) Gefangen im Schlingentisch „Ich hänge sie zum Entspannen noch ein bisschen in den Schlingentisch!“, sagt meine Kollegin zu Herr Meier, während sie die Seile mit den Schlaufen fixiert. Herr Meier ist chronischer Schmerzpatient, ein wenig korpulent und schon etwas älter. Mit der Ganzkörperaufhängung des Patienten zufrieden verlässt meine Kollegin kurze Zeit später den Raum, schließt die Tür und geht zum nächsten Patienten. Eine halbe Stunde später hat sie Feierabend und verlässt die Praxis, in der sie an diesem Tag, wegen der Urlaubszeit alleine gearbeitet hat. „Hilfe! Hilfe!“ Verwundert stellt die Reinigungskraft am frühen Abend nach Betreten der Praxis ihren Eimer und Bodenwischer ab. „IST HIER JEMAND? HILFE!“ Als sie die Tür zum Schlingentisch-Raum öffnet trifft sie vor Schreck fast der Schlag... Anmerkung: Der Patient hat den Vorfall ohne größeren Schaden überlebt und auf eine Anzeige verzichtet. Er ist jetzt Patient in einer anderen Praxis. Voller Einsatz „OH JA! GENAU DA!“ Die tiefe Bassstimme des Patienten erfüllt den gesamten Raum. „SIE HABEN GOLDENE HÄNDE!“, stellt er weiter fest. „OH JA... DAS TUT GUT! NOCH ETWAS FESTER!“ Nervös lächelnd schaue ich in Richtung Tür. „Wahrscheinlich hört gerade die ganze Praxis mit!“, denke ich bei mir, als mein Patient einen weiteren Laut der Verzückung von sich gibt. „DAS IST GENAU DIE STELLE! ES TUT SOOO WEH... ABER ES TUT AUCH SOOOO GUT!“, schreit der Patient weiter. „Oh wie peinlich!“, denke ich bei mir und schaue wieder zur Tür. Dahinter höre ich leises Flüstern und Gekicher. „JAAAAA! JAAAA! JAAA!“ „Herr Bauer! Ich freue mich ja, dass ihnen meine Behandlung so gut tut! Aber könnten sie vielleicht ein bisschen leiser...!“ Nach der Behandlung öffne ich erleichtert die Zimmertür und verlasse mit geröteten Wangen den Behandlungsraum. Gefolgt von einem selig grinsenden Herr Bauer... Ein wartender Patient schaut mit offenem Mund von seiner Zeitschrift auf. „Ich will genau die gleiche Behandlung!“, sagt er. Das Bonbon Die Dame legt sich bäuchlings auf die Massageliege und steckt ihren Kopf in die dafür vorgesehene Öffnung auf der Bank. Wir unterhalten uns gerade, als meine Patientin erschrocken den Kopf hebt. „Ich habe mein Bonbon verloren! Das ist mir jetzt aber peinlich!“, sagt die Patientin verlegen. „Nicht schlimm!“, stelle ich fest und hebe es vom Boden auf. „Wollen sie es wieder zurück?“, frage ich grinsend. „Nein... Danke!“, antwortet sie mir lachend. Ein Vollbad in voller Länge „Passt die Temperatur so?“, fragt Praxisinhaber Klaus K. den Patienten. „Alles bestes!“, bestätigt der Mann, schließt die Augen und taucht bis zum Hals in das warme Wasser ab. „Ich schalte jetzt den Strom dazu! Bleiben sie bitte im Wasser liegen bis ich wieder zurückkomme. Steigen sie auf gar keinen Fall vorzeitig aus der Wanne!“, warnt der Therapeut und befestigt einen Klingelknopf am Badewannenrand. Zweieinhalb Stunden später... In der Wohnung über der Praxis lässt sich Klaus K. das Mittagessen seiner Frau schmecken. Plötzlich setzt er sich kerzengerade auf. Der Esslöffel fällt mit einem lauten Klirren zurück in den Teller. Ohne ein weiteres Wort stürmt er aus der Wohnung und eilt in die Praxis im Erdgeschoss. Als er die Tür zum Stangerbad öffnet liegt der Patient friedlich schnarchend im mittlerweile kalten Wasser. Ein Traum in Pink Herr Schmidt arbeitet schon seit 30 Jahren auf dem Bau, ist ein etwas wortkarger, aber freundlicher Mann und schon ein paar Mal wegen eines Hüftleidens bei mir in Behandlung gewesen. Nach einigen Gymnastik-Einheiten schlage ich ihm beim nächsten Termin eine Massage für den Beckenbereich und unteren Rücken vor. In der darauffolgenden Woche erscheint er pünktlich in der Praxis und ich schicke ihn schon in einen der Therapieräume mit Massagebank. Als ich kurze Zeit später das Zimmer betrete erlebe ich eine rosa Überraschung. Herr Schmidt hat sich bereits komplett ausgezogen und liegt, nur mit einem pinkfarbenen Tanga bekleidet auf der Massageliege. Beim Anblick des Häschens auf der Vorderseite des knappen Teils ist es mit meiner Selbstbeherrschung fast vorbei. Ich weiß nicht, ob ich über den exklusiven Anblick Lachen oder Weinen soll. Nie im Leben hätte ich solch eine Unterwäsche bei diesem Patienten vermutet. Ich beginne mit der Massage, bemüht nicht ständig auf das Häschen zu schauen, welches meinen Blick fast magnetisch anzieht. Als ich es nicht mehr aushalte, bitte ich den Patienten sich umzudrehen. Ein großer Fehler, wie ich kurz darauf feststelle. Neulich beim Gymnastikkurs „Wie groß ist den der Teich in deinem Garten?“, fragt eine Kursteilnehmerin eine andere. „Der ist schon recht groß!“, antwortet diese unbestimmt. „Und, schwimmen da auch Fische drin?“, mischt sich eine andere Dame ins Gespräch ein. „Ja!“, entgegnet die Teichbesitzerin. „Was sind denn das für Fische?“, fragt wieder die erste Dame. „Ach nix besonders!“, überlegt die Teichbesitzerin. „Das sind so stinknormale Wald- und Wiesenfische!“ An dieser Stelle liebe Grüße an Agnes... :) Fortsetzung folgt...
- Verstaubte Erinnerungen
„Guten Tag Frau Kürbiskopf!“ „Guten Tag Frau Zwiebelschale! Wie geht es Ihnen?“ „Danke der Nachfrage! Sehr gut, nur mein Rheuma plagt mich heute wieder ganz besonders... muss am Wetter liegen! Sie wissen schon.“ „Ich weiß meine Liebe! Was möchten Sie einkaufen?“ „Ich bekomme heute Besuch zum Kaffee – es ist der Geburtstag von meiner Enkelin...! Haben Sie den einen Kaffee da? Sie wissen schon, der in der blauen Verpackung, den ich auch schon letzte Woche bei Ihnen gekauft habe.“ „Selbstverständlich meine Liebe! Hier, bitte schön! Möchten sie auch noch ein paar vertrocknete Kekse dazu? Die sind heute im Angebot!“ „Sehr gerne! Vielen Dank! Was kostet das alles zusammen?“ „27 Euro und 45 Cent, bitte!“ „Was 27 Euro, das ist aber ganz schön teuer!“ „Also gut, dann geben Sie mir 1 Euro!“ „Schon besser! Hier... Bitteschön!“ „Dankeschön!“ „Auf Wiedersehen!“ „Auf Wiedersehen! Und grüßen Sie mir den Herrn Gemahl!“ Ein leichtes Lächeln umspielt meine Lippen, als ich an die vielen Einkäufe im Kaufladen meiner Tochter denke. Sie hatte das Teil von mir zu ihrem 3. Geburtstag bekommen und es verging fast kein Tag, ohne das wir damit gespielt haben. „Eine schöne Zeit!“, denke ich ein klein bisschen wehmütig, während ich die vielen Verpackungen und eine kleine Kasse mit Spielgeld zurück in die Kartonage stelle. Morgen werde ich den Kaufladen einer Patientin von mir mitbringen, sie hat eine Enkelin im gleichen Alter. „Wieder ein Teil weniger!“, denke ich und widme mich der nächsten Kiste. Es ist ein offenes Geheimnis, dass ich Ende des Jahres Umziehen werde. Eine kleine Insel mitten in der Nordsee hat es mir angetan und ich wage dort noch einmal einen kompletten Neuanfang. Es ist nur so, dass ich mich verkleinern muss. Genauer gesagt muss alles was ich besitze, alle Möbel, mein gesamter Hausstand in einen Kleintransporter passen. So beherrschen meinen Alltag zurzeit ganze 2 FRAGEN: Was brauche ich? Was kann weg? In einem Satz: „Ich stelle zurzeit mein ganzes Leben auf den Prüfstand!“ Jede Kartonage aus dem Keller und Dachboden bringt eine weitere verstaubte, teils längst vergessene Erinnerung zu Tage. „Sag Tschüss zu Osterhasi, Nikolausi und Co.!“, sage ich zu meiner Tochter während ich eine Figur nach der anderen in den Mülleimer fallen lasse. Es macht Spaß in seinem Leben einmal richtig aufzuräumen, es bringt ErLEICHTerung, ja LEICHTigkeit mit sich. An manchen Tagen geht es mir LEICHT von der Hand, an anderen Tagen schwingt ein bisschen Wehmut mit. „Mein Skateboard bleibt aber hier!“, bestimmt meine Tochter und drückt sich das lange Brett mit vier Rollen noch etwas fester an die Brust. „Wieso?“, frage ich erstaunt. „Willst du damit frühs in die Schule fahren, oder weswegen willst Du es nicht wegwerfen?“ Sie wirft mir einen nervösen Blick zu. „Jetzt fühle ich mich unter Druck gesetzt!“, jammert sie. „Schon gut!“, antworte ich, „dann behalte es halt noch ein bisschen. „Wenn Du die Rollen abschraubst, kannst Du es auf der Nordsee noch als Surfbrett benutzen!“, empfehle ich ihr mit einem Augenzwinkern. Als ich auf dem Dachboden eine flache, große Kartonage finde, kommt mir eine gute Idee. Im Wohnzimmer angekommen befülle ich sie mit meinen alten CDs, DVDs und einigen Büchern, die ich nicht mehr brauche. Auf den Deckel schreibe ich in großen Buchstaben „Zu Verschenken!“ und stelle den Karton bevor ich zur Praxis fahre vor die Tür. Zwei Stunden später schreibt mir mein Nachbar: „Voller Erfolg! Da war gerade einer da, der hat den kompletten Inhalt mit samter Kartonage mitgenommen!“ Jetzt muss ich lachen. Um den Inhalt tut es mir nicht leid, aber um den Karton schon. Denn der war wegen seiner Höhe und Breite als Geschenke-Box perfekt gewesen. Auch ein 12- teiliges Goldrandservice findet den Weg an den Straßenrand. Kurze Zeit später ist es weg. Seit einer Stunde sitze ich in meinem Zimmer auf dem Boden, in den Händen halte ich ein altes Tagebuch. Fasziniert lese ich von emotionsgeladenen Situationen aus meinem Leben als 16- Jährige. Ich muss schmunzeln. Hauptsächlich ging es um Jungs, Herzschmerz, und andere Liebesangelegenheiten. „Meine Güte! Die meiste Zeit war ich heimlich verliebt, unglücklich verliebt, oder schon wieder getrennt, bevor es richtig angefangen hatte. Neue Menschen treten in dein Leben, manche bleiben kurz, manche länger, ein paar wenige für immer. Momentan kommt mir dieser Wechsel sehr intensiv vor. Ich habe das Gefühl, dass ich zurzeit auch im zwischenmenschlichen Bereich große Veränderungen anbahnen. Mancher Abschied kommt völlig überraschend, bei manchen Menschen fühlt es sich eher, wie ein sanftes Ausschleichen an. Überraschenderweise kommen aber auch alte Bekannte zurück und längst vergessene Freundschaften erfahren eine Wiederbelebung. Das macht mich gerade sehr glücklich! Eine Handvoll Personen werden bleiben, die finden in meinem Kleintransporter in Richtung Norden einen Platz. Manche reisen nur in meinem Herzen mit... bereit für ein Wiedersehen. Unter Ächzen und Stöhnen ziehen meine Tochter und ich eine besonders große und verstaubte Kartonage aus einer Nische des Dachbodens hervor und öffnen den Deckel. Das spärliche Licht der Glühbirne fällt auf den Inhalt der Kiste: „Das wir das noch haben! Das haben wir ja völlig vergessen!“, stellen wir überrascht fest.
- 1.Mai
Ich wünsche Euch einen sonnigen und entspannten Feiertag













